Current Desired, Installation
Zeichnungen, Scheinwerfer, Sound (ca. 11 min)
Interview mit Susanne Emerich:
Wie interpretieren Sie den Titel „Current/Desired“?
“Current” gilt der Beschreibung eines gegenwärtigen Zustands, “Desired” beschreibt seine optimale Ausrichtung, sozusagen das visualisierte Ziel im Entwicklungsprozess.
Dazwischen liegt die Motivation, diesen Spannungsbogen zu schließen – den Wunsch zu erfüllen, das Bedürfnis zu befriedigen, das Ungleichgewicht auszugleichen. Spannend ist auch die Frage, was kommt danach. Wenn das Ziel erreicht ist.
Weshalb der Fokus auf Körper- und Körperwahrnehmung?
Meine künstlerische Ausbildung war Konzept-orientiert. Daneben habe ich aber viel Zeit im Aktsaal verbracht und im Zeichnen eine Ausdrucksform entdeckt, die ohne Konzept und damit ohne Sprache und ohne Ratio funktioniert. Die Hand bringt Dinge ohne Umwege aufs Papier.
Somit ist die Zeichnung ein gutes Medium, um Zusammenhänge der sprach-abgewandten Wahrnehmung zu bearbeiten. Für manche Dinge gibt es keine Worte, sie sind in Sprache nicht zu fassen. Und alles Intra-Psychische spielt sich ja auch irgendwo ab, irgendwo in den Räumen des Körpers.
In Ihrer Soundinstallation hinterfragen Sie das Potential von Sprache, was kann Sprache usw. Welche Bedeutung messen Sie dem Instrument Sprache bei?
Am Anfang war das Wort. Sprache ist ein quasi-unsagbar machtvolles Instrument. Sie erweitert bekanntlich die Grenzen unserer Welt, determiniert aber auch deren Charakter. Aber war ist mit jenen Aspekten, für die wir keine Sprache haben? Auch sie drängen nach Ausdruck. Wie werden Dinge gesagt, die nicht gesagt werden können?
Den Soundarbeiten liegen diese Fragen zugrunde. Oftmals kindlich anmutende Stimmen versuchen sich mitzuteilen über ein Vokabular, welches kaum kindlich ist. In Satzkonstruktionen, die eine Klarheit und Eindeutigkeit imitieren, die eigentlich sehr brüchig ist. Uns verlangt es ja auch immer wieder nach Klarheit und Eindeutigkeit, um den Ambivalenzen und Paradoxien zumindest sprachlich etwas entgegenzuhalten.
Ihre großflächigen und gleichzeitig fragilen Leinwandarbeiten, die auch im Künstlerhaus gezeigt werden, stammen aus der „Raunacht-Serie“, d.h. die Bilder wurden im Freien bearbeitet und somit ist der Einfluss der Elemente teilweise auf der Leinwand ablesbar. Welche Bedeutung haben die Raunächte für Sie, warum entstanden die Bilder in diesem Zeitraum?
Der Zeitraum der „Raunächte“ war ursprünglich pragmatischen Umständen geschuldet. Die malerischen Hintergründe meiner Arbeiten entstehen stets im Freien, da die Produktion extrem wasserintensiv sind. Vor einigen Jahren war es aus zeitlichen Gründen notwendig, um Arbeiten für eine Ausstellung fertigzustellen, in der Zeit der sogenannten „Raunächte“ zu arbeiten.
Sie waren mir bis dahin gar kein Begriff, hätte ich nicht zufällig zur selben Zeit ein Buch in die Hände bekommen, welches sich mit archaischen Volksmythologien beschäftigt. Und nachdem ich in einem jahrhundertealten Bauernhaus lebe, war es natürlich spannend, sich mit diesen noch viel älteren Vorstellungen und dem daraus folgenden Regelwerk zu beschäftigen, welche die „Raunächte“ einst begleitet haben. Und mir gefällt die Vorstellung, einer “Zeit außerhalb der Zeit”, in der besondere Regeln gelten sollen, und in der angeblich vieles möglich wird, was sonst ausgeschlossen ist.
Außer vielleicht in den großen konzeptionellen Arbeiten, wie beispielsweise “Song of Myself” oder die “Soziale Skulptur”, “wähle” ich selten ein Thema. Und die Themen finden eher mich als umgekehrt. Im Allgemeinen lasse ich Arbeiten entstehen und lese danach, was sie bedeuten könnten. Grundsätzlich arbeite ich dabei immer mit verschiedenen Medien – ich habe “Medienübergreifende Kunst” studiert.
Meine fotografischen Arbeiten beschäftigen sich dabei meist mit archetypischen Bildern, mit Bildern, die einem kollektiven Erinnerungs-Archiv entstammen könnten. Sie verfolgen individuelle Aspekte und suchen darin das Universelle.
Anstatt “Public Face” hätte die hier gezeigte Serie auch einen anderen Titel haben können. Sie würde dann vielleicht unter einem anderen Gesichtspunkt betrachtet. Aber die den Gesichtern eingeschriebene Verletzlichkeit, Angreifbarkeit, Dünnhäutigkeit, war so erstaunlich, dass dieser Titel Sinn gemacht hat. Weil es doch überrascht, dass diese Art von Einblicknahme in unsere innere Landschaft im öffentlichen Raum überhaupt möglich ist.